Es gibt viele hilfreiche Strategien, die uns dabei unterstützen können, unser Leben so zu gestalten, wie wir es uns wünschen, unsere Ziele zu verfolgen und das, was uns daran hindert, aus dem Weg zu räumen.
In den vorherigen Artikeln habe ich bereits über Top-Down und Bottom-Up Strategien sowie Prokrastination gesprochen. Diesmal soll es um einen anderen Baustein in unserem Werkzeugkasten gehen:
Die Gewohnheiten.
Bei dem Wort Gewohnheiten denken wir an die schlechten Angewohnheiten, die wir gerne ablegen würden:
Die Zigarette, die uns, sobald wir den Kaffee riechen, automatisch in den Sinn kommt.
Das Bier, das zum Feierabend dazugehört.
Das ständige Multitasking, was letztlich alles länger dauern lässt.
Die Kompensationskäufe, mit denen wir den Stress wegdrücken.
Das Tribunal, das wir bei jedem Fehler innerlich über uns selbst abhalten.
Oder aber wir denken an unsere vergeblichen Bemühungen, neue positive Gewohnheiten, wie regelmäßige Bewegung, ausreichend Schlaf oder eine gesündere Ernährung in unserem Leben zu etablieren.
Gewohnheiten sind demnach oft ein leidiges Thema. Etwas, das viele Menschen mit Versagen assoziieren und das schambehaftet ist. Dabei übersehen wir, dass wir alle schon sehr viele positive Dinge zu unseren Gewohnheiten gemacht haben:
Abends im Bett noch ein paar Seiten lesen.
Vor dem Schlafengehen Zähne putzen.
Morgens nach dem Aufstehen das Zimmer lüften.
Abends noch die Küche aufräumen.
Auf dem Weg in den Keller, den Glasmüll mitnehmen.
Diese Gewohnheiten fallen uns dann ins Auge fallen, wenn wir sie verloren haben. Zum Beispiel, wenn unser Urlaub zu Ende ist und wir Schwierigkeiten haben, wieder in unseren Rhythmus zu finden.
Ansonsten sind sie so selbstverständlich, dass wir sie nicht mehr wahrnehmen und das ist auch genau das, was eine Gewohnheit ausmacht: Sie läuft automatisch.
Wie entstehen Gewohnheiten?
Tun wir etwas zum ersten Mal, benutzen wir unseren präfrontalen Kortex. Er hilft uns dabei vernünftig, reflektiert und zielgerichtet zu handeln.
Er ist aktiv, wenn ein Kind die ersten Male einen Tunnel im Sandkasten gräbt oder wenn wir die Entscheidung treffen, dass wir eine Fremdsprache lernen wollen.
Wenn das Kind schon einige Tunnel im Sand gegraben hat, dann benötigt es seinen präfrontalen Kortex für diese Tätigkeit nicht mehr. Das Tunnelgraben ist dann als automatisches Programm in einem Nervenzellenverband, den Basalganglien abgespeichert. Diese Automatisierung spart Energie. Das Gehirn kann sich auf andere, wichtigere oder komplexere Aufgaben konzentrieren. Wir kennen das alle von automatisch ablaufenden Bewegungsmustern wie dem Laufen oder Fahrradfahren, auf die wir auch keine Konzentration mehr verwenden müssen. Mit Gewohnheiten ist das ganz ähnlich.
Diese Automatisierung streben wir an, wenn wir neue Verhaltensweisen etablieren wollen. Wir wollen keine Energie mehr darauf verwenden müssen, uns daran zu erinnern oder durchzuringen. Und Studien zeigen, dass das möglich ist: Wenn wir zum Beispiel an regelmäßige Bewegung gewöhnt sind, dann wird unser Körper uns signalisieren, dass er diese Bewegung vermisst, wenn wir über ein paar Tage keine Gelegenheit hatten, uns zu bewegen.
Der Prozess funktioniert am besten nach einem bestimmten Muster, dem sogenannten Habit Loop:
Dafür braucht es:
Ein Signal:
Für das Kind ist der Sandkasten mit der Schaufel das Signal zum Graben eines Tunnels.
Für uns könnte es der Karteikasten im Badezimmer sein, der uns an das Vokabellernen erinnert.
Die Routine: Du führst die Handlung aus.
Eine Belohnung
Die Basalganglien verknüpfen den Auslöser mit der Belohnung, wodurch die Routine verstärkt wird.
Fazit
Ich bin kein Fan davon, die Dinge zu sehr zu vereinfachen. Der Prozess der Gewohnheitsbildung läuft nicht isoliert ab und so kann es vielschichtige Ursachen haben, warum wir an bestimmten Vorsätzen immer wieder scheitern. Darauf bin ich in dem Artikel über Prokrastination bereits eingegangen. Erfahrungen, Emotionen, Motivation und äußere Umstände spielen eine Rolle. Und ungesunde Angewohnheiten haben meist tieferliegende psychologische Hintergründe, wie zum Beispiel Stressbewältigung. Es ist also wichtig, die eigenen Rahmenbedingungen zu reflektieren. Trotzdem empfinde ich es als ermutigend und hilfreich, weil es mir sagt, dass die Gewohnheitsbildung ein recht mechanischer Prozess ist, der mit einer Vielzahl von Handlungen funktioniert.
Wenn ich es schaffe eine Weile durchzuhalten, wird definitiv der Moment kommen, an dem dieses neue Verhalten so in mir verankert ist, dass es mich kaum noch Energie kosten wird, es aufrechtzuerhalten.
In diesem Zusammenhang hört man oft die magische Zahl von 66 Tagen, die es im Durchschnitt braucht, um eine Gewohnheit zu etablieren. Diese Zahl ist allerdings je nach Komplexität der Gewohnheit sehr variabel. Morgens nach dem Aufstehen ein Glas Wasser zu trinken ist weit leichter zu integrieren als zum Beispiel regelmäßiges Training.
Vielleicht möchtest du damit experimentieren. Starte mit einer Kleinigkeit, wie dem Glas Wasser nach dem Aufstehen und nicht mit einer komplexen Verhaltensweise. Es geht darum, die Erfahrung zu machen, dass der Gewöhnungseffekt eintritt. Das erhöht dein Gefühl von Selbstwirksamkeit und macht Mut, es auch mit umfangreicheren Handlungen zu versuchen.
Viel Spaß beim Ausprobieren.
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